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Erzählung: 6. Die Fahrten von Pestur

Anfangs hatten alle Völker grosse Angst vor dem Meer, denn die hohen Wellen waren sehr gefährlich. ( Einige Völker haben heute immer noch Angst vor dem Meer, z.B. die Zwerge und die Oger.) Schwimmer konnten sich nur in unmittelbarer Nähe des Ufers aufhalten und kleine Boote nur bei gutem Wetter der Küste entlang fahren.

Die hohe See aber blieb anfangs verschlossen. Keines der Boote, das entweder aus freiem Willen so weit hinausfuhr oder von starken Winden abgetrieben wurde, kehrte zurück. Trotzdem gab es einige Menschen, die vom Meer lebten, indem sie Fischfang in kleinen Booten betrieben. Sie lebten in einem kleinen Dorf südlich von Midas und versorgten neben den vereinzelten Bauernhöfen die Bewohner von Midas mit Lebensmitteln.

Pesturs erste Fahrt

Ein junger Fischer namens Pestur liebte das Meer ganz besonders und so begann er, ein grosses Schiff zu bauen, um einmal auf das weite Meer hinaus segeln zu können. Alle anderen Fischer lachten ihn aus, denn sie dachten, dass solch ein grosses Schiff niemals schwimmen würde.

Und tatsächlich sank Pesturs erstes Schiff wenige Minuten nach dem Ablegen. Aber Pestur gab nicht auf. Immer wieder baute er ein neues Schiff, und versuchte sein Glück. Zwar fand er immer mehr Tricks im Schiffbau und gewann reichlich Erfahrung, aber keines seiner Schiffe wollte schwimmen.

Viele Abenteurer im ganzen Silberland hatten von Pesturs mühevollen Versuchen gehört. Da es sehr friedliche Zeiten waren, kamen viele Abenteurer auf der Suche nach aufregenden Ereignissen zu Pestur, um ihm zu helfen.

Und wirklich entstand nach einiger Zeit ein mächtiges und sehr seetüchtiges Schiff, das auf den Namen 'Seemöwe' getauft wurde, denn es war ebenso elegant und schnell wie eine Möwe.

Dann war es endlich so weit. Pestur und seine Gefährten brachen auf, um die weiten Meere zu erforschen. Die Seemöwe wurde mit Proviant und allerlei nützlichen Gerätschaften vollgestopft. Zuerst segelte man Richtung Westen, denn im Osten bestand die Gefahr, den Piraten von Knarkh in die Hände zu fallen, die mit ihren gestohlenen Fischerbooten oft den Fischern ihren ganzen Fang stahlen.

Der zweite Grund, den Weg nach Westen zu wählen, war die Stadt der Hobbits. Sie lag weit ihm Westen von Midas hinter grossen Bergen und Hügeln, sodass der Weg dorthin lange und beschwerlich war. Da nördlich von Hobbingen auch ein Meer lag, vermutete man, dass es einen Seeweg geben könnte.

Lange Zeit segelte die Seemöwe an hohen Klippen entlang, die immer höher wurden. Nirgends an der Steilküste gab es einen Ort, an dem man mit diesem Schiff hätte landen können. Nur ab und zu fand sich eine schmale, sandige Bucht, die von hohen Felsen umgeben war. Aber nicht mal dort wurde Frischwasser gefunden, um die knappen Reserven an Bord zu ergänzen.

Doch die Beharrlichkeit von Pestur sollte sich lohnen. Als viele Besatzungsmitglieder schon die Umkehr forderten, machten die Klippen eine Biegung nach Norden. Pestur nannte es 'das Kap der Strudel', denn es gab hier viele Riffe und winzige Inseln, zwischen denen das Wasser viele Strudel bildete.

Eine Durchfahrt war hier sehr schwer, und es war nur den scharfen Augen einer Elfe zu verdanken, dass die Seemöwe nur einige Kratzer und Schrammen abbekam. Um die Durchfahrt für spätere Zeiten sicherer zu machen, beschloss Pestur, auf einer vorgelagerten Insel einen Leuchtturm zu errichten.

Nach der Fertigstellung des hohen Turmes und einer kleinen Ruhepause segelte die Seemöwe weiter. Die hohen Klippen verliefen bald nach Nordost und dann nach Ost, sodass sicher war, dass man das gesuchte Westkap passiert hatte und sich der Heimat der Hobbits näherte.

Bald wurden die Klippen von sanften Hügeln abgelöst und als die Seemöwe in eine breite, flache Bucht einlief, jubelten alle Hobbits, denn sie erkannten sie als ihre Heimat wieder. Schnell wurde ein Landesteg gezimmert, damit alle trockenen Fusses das Land betreten konnten, denn der Sandstrand war hier sehr flach und kein Hobbit wollte so weit durch das Wasser waten.

Alle waren begeistert, dass es nun einen einfacheren Weg nach Midas gab, und viele geschäftstüchtige Hobbits wollten sofort mit ihren Waren den Weg antreten. So wurde aus dem Entdeckerschiff Seemöwe ein Handelsschiff, das ständig die Route Derlim-Midas befuhr und den Handel so enorm ankurbelte. Pestur war damit nicht sehr zufrieden, und so übergab er seine Kapitänswürde bald einem jungen Hobbit und wurde wieder Fischer.

Der Reichtum, den die Händler mit ihren Schiffsfahrten erwirtschafteten, blieb natürlich nicht lange unbemerkt. Die Piraten von Knarkh lauerten ständig darauf, das Schiff der Händler zu kapern. Und tatsächlich gelang es einigen Orks, sich mit kleinen Booten dem Schiff zu nähern und es zu erobern, während die Händler über den Preis ihren Waren feilschten.

Als dann auch noch von Land eine Gruppe Knarkhisten anmarschierte, voran einige riesige Trolle, flohen die Händler und das Schiff gehörte ab jetzt den Piraten. Nach diesem Schock musste der Handel wieder auf Ochsenkarren umgestellt werden, und noch heute fahren Ochsenkarren den langen Weg zwischen Midas und Derlim hin und her.

Pesturs zweite Fahrt

Bald darauf wurde Pestur gebeten, wieder ein Schiff zu bauen, denn alle hatten sich schon so an den Seeverkehr gewohnt, dass es schwer war, ohne ein Schiff auszukommen. Nach langen Überredungsversuchen stimmte Pestur dann endlich zu, ein Schiff zu bauen. Seine einzige Forderung war, dass er zuvor mit dem neuen Schiff wieder eine Entdeckungsreise machen dürfe.

Das neue Schiff wurde 'Seeadler' genannt, denn es war noch grösser und schöner als die 'Seemöwe'. Diesmal ging die Reise von Derlim nach Norden, denn wieder wollte Pestur den Piraten aus dem Weg gehen, denn er war von Natur ein eher friedlicher Mann.

Die Fahrt zur Bucht von Derlim war schon seit langer Zeit Routine, und Pestur war froh, als er den Leuchtturm am Kap der Strudel in sehr gutem Zustand wiederfand. In Derlim stiess noch eine grosse Menge von abenteuerlustigen Gesellen zu Pestur, denn es hatte sich schnell herumgesprochen, dass der grosse Seemann und Entdecker wieder unterwegs war, und viele wollten die spannenden Abenteuer und Entdeckungen von Pestur miterleben.

Nördlich von Derlim erstreckte sich zuerst wieder eine hohe Klippe, sodass nicht viel von der Landschaft zu sehen war. Dann aber wurde das Land flacher und man sah die weiten Flächen des Kristallwaldes. Das helle Licht glitzerte in den kristallinen Formen und alle freuten sich über diesen schönen Anblick.

Von den Elfen erfuhr Pestur, dass mitten in diesem riesigen Wald die Heimat der Elfen liegt. Aber auch die Elfen wussten nicht, was sich nördlich davon befindet. Langsam wurde der Kristallwald wieder von normalem Wald abgelöst, aber das Meeresufer war so felsig, dass eine Landung unmöglich war.

Nach einer langen Fahrt in nordöstlicher Richtung hörte der Wald endlich einmal auf. Bis auf die Elfen war allen Besatzungsmitgliedern der ständige Blick auf die dichten Wälder langweilig geworden.

Endlich war eine Landung möglich, aber das einzige, was die neugierigen Abenteurer fanden, war eine weite Graslandschaft, die sich nach Süden bis zum Horizont ausdehnte. Der Boden war karg und der Tierbestand sehr gering, sodass bald weiter gesegelt wurde.

Nach einiger Zeit verlief ein gewaltiges Bergmassiv der Küste entlang nach Norden. Der Wind wurde immer stärker, bis die Seeadler ein sturmumtostes Kap erreichte, das Pestur auf den Namen 'Kap der Stürme' taufte. Mehrere Male versuchte Pestur, eine sichere Passage zu finden, aber immer wurde sein Schiff von den starken Stürmen abgetrieben.

Beim fünften Versuch wurde der Sturm zu einem echten Orkan und das die Seeadler konnte dieser extremen Belastung nicht lange standhalten. Schliesslich brach das Ruder und ein Grossteil der Takelage wurde zerstört. So wurde die Seeadler steuerlos weit nach Nordwesten abgetrieben.

Als nach langer Zeit der Sturm endlich abflaute, befand sich das Schiff irgendwo im Nordmeer, aber nicht einmal Pestur konnte die genaue Position bestimmen. Dann wurde plötzlich Land gesichtet! Nach einer gefährlichen Fahrt durch treibende Eisschollen landete die angeschlagene Seeadler endlich vor einer steilen Felsenküste, wo gerade genug Platz war, um aus dem Baumbestand einige Notunterkünfte zu zimmern und das Schiff zu reparieren.

Vor allem die eisige Kälte setzte den Entdeckern ziemlich zu. Hinter der schmalen Landzunge befand sich eine grosse Höhle, aus der ständig ein eisiger Wind blies. So waren alle froh, als man diesen unwirtlichen Ort endlich verlassen konnte.

Um so unverständlicher war es für die meisten, dass einige wagemutige Abenteurer trotzdem hier bleiben wollten, um die eisige Höhle und die Umgebung zu erforschen und die gewaltig grossen Wale zu jagen, die man zwischen den Eisschollen gesichtet hatte. So wurde das Dörfchen Smörsky gegründet, die erste Ansiedlung im hohen Norden.

Nach langer Fahrt in Richtung Südost gelangte die Seeadler wieder sicher nach Derlim. Wie versprochen gab Pestur das Schiff wieder an die Händler ab. Diesmal zog sich Pestur aber nicht wieder in sein Fischerleben zurück, sondern bereitete sofort seine nächste Expedition vor.

Diesmal entwickelte er ein Schiff, das den wilden Stürmen des Nordkaps widerstehen konnte. Denn Pestur konnte sich einfach nicht mit dieser Niederlage abfinden und wollte unbedingt das Kap der Stürme bezwingen.

Nach langem Nachdenken, Herumrechnen und Badewannenversuchen hatte Pestur sein perfektes Expeditionsschiff gefunden. Der runde Bug konnte die Wellen brechen, und alle Masten waren so fest verankert, dass kein Wind sie umkippen konnte. Die spezielle Form des Rumpfes war so ausgetüftelt, dass sich das Schiff von selbst wieder aufrichtete, wenn es einmal in eine gefährliche Schräglage geraten würde. Wie ein Sturmvogel sollte das Schiff auch durch den schlimmsten Sturm segeln können. Darum erhielt Pesturs drittes Schiff auch den Namen 'Sturmvogel'.

Pesturs dritte Fahrt

Als bekannt wurde, dass Pestur wieder eine Fahrt plane, wollten so viele Abenteurer mitkommen, dass gar nicht alle auf der Sturmvogel Platz hatten. Darum nahm Pestur zuerst die Neulinge auf sein Schiff und segelte den bereits bekannten Weg nach Norden, um Smörsky zu besuchen. Für viele war das schon eine grosses Abenteuer, und einige blieben auch dort, um den hohen Norden zu erforschen.

Nach der Rückkehr nahm Pestur wieder die alten Veteranen an Bord. Die Sturmvogel hatte auf der schwierigen Fahrt durch die Eisschollen vor Smörsky alle Erwartungen erfüllt und zum Teil auch übertroffen und so brach man voller Hoffnung zum Nordkap auf. Die Reise war ohne besondere Vorkommnisse, denn in Pesturs Seekarten waren ja alle gefährlichen Stellen eingezeichnet.

Als man dann in die Stürme in der Nähe des Nordkaps kam, bewies die Sturmvogel ihre Qualitäten. Unbeeindruckt von Wind und Meer kämpfte sie sich von Woge zu Woge, und weder Wellen noch Windstösse konnten ihr etwas anhaben. Der einzige kritische Moment war, als eine gigantische Welle sich über dem Schiff überschlug.

Die Sturmvogel nahm zwar viel Wasser auf, aber sie richtete sich wieder brav auf und segelte unbeeindruckt weiter. Schnell wurde das Wasser ausgeschöpft und bald war das Kap der Stürme bezwungen. Jedes andere Schiff wäre bei solch einer Belastung entweder auseinander gebrochen oder umgekippt und versunken. So machte sich die langwierige Konstruktionsarbeit bezahlt.

Hinter dem Nordkap segelte die Sturmvogel plötzlich in eine beinahe windstille Bucht, die hier niemand vermutet hätte. Pestur schlug vor, hier einen Landungssteg zu errichten, wo in späteren Zeiten Schiffe vor oder nach der Kapumseglung frisches Wasser aufnehmen oder Reparaturen durchführen könnten.

Ein mutiger Zwerg fand einen Weg durch die Klippen bis hinauf zum nördlichsten Punkt, von wo man das ganze Nordkap überblicken konnte. Pestur hielt es für Zeitverschwendung, auch hier einen Leuchtturm zu bauen, aber einige Zwerge bestanden drauf, denn ihrer Meinung nach brauchte dieser gewaltige Felsen eine würdige Krone. So lies Pestur die einige Zwerge zu Bauarbeiten hier zurück und segelte mit der Sturmvogel und dem Rest der Besatzung weiter nach Osten.

Das Land wurde immer flacher, je weiter man nach Osten kam. Hinter einem breiten Sandstrand befand sich nur karge Steppe, die sich mit kleinen Waldgebieten abwechselte. Dann jedoch wurde die Küste wieder felsiger und höher, bis die Klippen zu einem richtigen Gebirge wurden.

Da schmale Rauchfahnen aus den Bergen aufstiegen, war es sicher, dass es hier Siedlungen gab. Doch war man jetzt so weit im Osten, dass niemand wusste, welches Volk hier leben könnte.

Obwohl eine Landung sehr schwer war, begab sich trotzdem ein grosser Trupp auf Landerkundung. Als sie sich aber der Ansiedlung näherten, hagelte es plötzlich kopfgrosse Felsbrocken. Dann stürmte eine Gruppe von riesigen Trollen daher, um die Eindringlinge zu vertreiben. Unter schweren Verlusten zogen sich die Entdecker zurück und erreichten nur mit knapper Not ihr Schiff.

Auch das Schiff wurde mit grossen Steinbrocken beworfen, aber zum Glück war die Sturmvogel bald ausser Reichweite. Das Gebirge wurde 'Trollberge' genannt und in der Landkarte mit einem grossen, roten Warnzeichen bedacht. Dann ging die Reise nach Südosten weiter.
Bald traten die Berge wieder zurück und das Ufer wurde immer sumpfiger. Mehrere Landungsversuche scheiterten an unbegehbaren Mooren und tiefen Sümpfen. Nur im Landesinneren sah man manchmal grössere Hügel, die aus der Moderlandschaft herausschauten. Auch die Luft wurde immer feuchter und bald fuhr man durch einen dicken Nebel.

Beinahe wäre die Sturmvogel auf einer kleinen Insel gestrandet, denn die Sicht war sehr gering. In alter Tradition wurde auch hier ein Leuchtturm gebaut, denn hier war er wichtiger als nirgend wo anders. Als das Nebelfeld dann endlich hinter den Seefahrern lag, sah man, dass man dort scheinbar den östlichsten Punkt des Kontinents umfahren hatte, und einstimmig wurde dieses Ostkap auf den Namen 'Kap der Nebel' getauft.

Die Fahrt ging weiter nach Südwesten, eine lange Hügelkette begleitete die Sturmvogel lange Zeit. Dann öffnete sich eine weite Bucht nach Nordwest, und Pestur beschloss, sie zu untersuchen. In der Mitte lag eine geheimnisvolle Insel, und am Ende der Bucht fanden die Seeleute das Mündungsdelta eines gewaltigen Flusses.

Sofort vermutete man, dass das der grosse Dromm sein müsse, denn kein anderer Fluss von solcher Grösse war im Silberland bekannt. Obwohl die Sturmvogel so wenig Tiefgang hatte, um den breiten Fluss ein Stück flussauf zu segeln, beschloss Pestur, wieder ans Meer zurückzukehren.

Die Fahrt ging weiter nach Süden, und das Land wurde immer trockener und heisser. Als man schon sehr weit in den Süden gelangt war, wurde das Land zur Wüste. Hinter dem flachen Sandstrand erhob sich eine Sanddüne nach der anderen.

Langsam wurde das Trinkwasser knapp, denn nirgends gab es einen Fluss noch einen Bach. Fast verrückt vor Durst waren die Seeleute als sie das Südkap erreichten. Dort sahen sie zum ersten Mal Palmen am Strand.

Ohne Rücksicht auf Verluste näherte man sich dem Ufer, bis die Sturmvogel im Sand stecken blieb. Dann sprangen alle Matrosen von Bord und schwammen an Land, denn dort, wo etwas in dieser trockenen Wüste wächst, muss es ja auch Wasser geben.

Und wirklich fand sich dort eine kleiner Teich. Diese Oase rettete Pestur und seinen Kameraden das Leben. Als man sich sattgetrunken und im kühlen Schatten der Palmen ausgeruht hatte, beschloss man, auch hier einen Leuchtturm zu bauen, zu wichtig war es in dieser öden Gegend frisches Trinkwasser aufzunehmen.

Zum Glück fand man einige grosse Steine unter dem Sand, denn die wenigen Palmen waren zu kostbar, um sie für den Bau des Leuchtturms zu fällen. Das Südkap bekam den Namen 'Kap der Schatten', weil die Oase Schatten vor der glühenden Sonnen bot.

Einige Zeit später waren alle wieder erfrischt und die Fahrt wurde fortgesetzt. Die öde Wüstenlandschaft setze sich noch weit nach Nordwesten fort und erst lange Zeit später war die Küste wieder bewachsen. Zuerst war es eine weite Steppe doch dann wurde das Gebiet immer feuchter. Als dann eine Lagune auftauchte, lief es allen kalt über den Rücken - man war in der Nähe des Piratendorfes Knarkh.

Da die Piraten sehr wachsam waren, entging ihnen die Sturmvogel nicht, als sie an Knarkh vorbeisegeln wollte. Sie bemannten ihr Piratenschiff - die ehemalige Seemöwe, die sie ja vor langer Zeit gekapert hatten - und versperrten Pestur und seinen Freunden den Weg. Da der Wind sehr ungünstig blies, konnte die Sturmvogel nicht fliehen und daher kam es zum ersten Seegefecht in der langen Geschichte des Silberlandes.

Die Piraten waren zwar besser bewaffnet, aber Pestur war der bessere Kapitän. Die vermoderte, alte Bordwand des Piratenschiffes konnten dem harten Bug der Sturmvogel nicht standhalten, als es zu einem Rammstoss kam. Es tat Pestur zwar im Herz weh, sein erstes Schiff auf den Grund des Meeres zu schicken, aber so konnte er einen grösseren Kampf verhindern. Fluchend schwammen die Piraten an Land, nur einige Trolle gingen wie Steine unter.

Mit einem grossen Leck im Bug schleppte sich die Sturmvogel den kurzen Weg in ihren Heimathafen. Die lange Fahrt rund um das Silberland war damit beendet und er Beweis erbracht, dass das Silberland eine Scheibe umgeben von Wasser ist.

Pestur wurde verdientermassen wie ein grosser Held gefeiert. Doch er gab sich mit diesem grossen Erfolg nicht zufrieden. Nachdem die Sturmvogel wieder repariert war, plante Pestur schon die nächste Reise.

Pesturs vierte und letzte Fahrt

Nachdem durch die Versenkung des Piratenschiffes die Seefahrt wieder um vieles sicherer geworden war, wurden mehrere Schiffe gebaut und ein reger Schiffsverkehr kam auf. Die Ziele waren vor allem Smörsky im hohen Norden um grosse Fische zu fangen oder das Südkap, um die Wunder der Wüste einmal kennenzulernen. Nur wenige wagten die Fahrt um das Nordkap, und dann auch nur, wenn einer aus Pesturs ehemaliger Besatzung mit an Bord war.

Pestur hingegen hatte grössere Pläne. Er wollte bis zum Rand der Welt vordringen, wo die Scheibe zu Ende ist und das Wasser in einem tosenden Wasserfall von der Scheibe fällt, bis Dusty ihre Arme wieder schliesst und das Wasser wieder in die Mitte drückt. Auswirkungen davon konnte man an jeder Küste sehen, wenn das Wasser steigt und danach wieder absinkt.

Nur die mutigsten Seeleute wagten es, Pestur auf dieser Reise zu begleiten. Mit guten Winden segelte er weit nach Westen, aber er kam nie wieder zurück, weder gibt es Kunde von seinem Schiff, der Sturmvogel, noch von Jemandem aus der Besatzung. Wahrscheinlich wird das Schiff im gewaltigen Sog von der Scheibe gefallen und im bodenlosen Nichts zerschmettert worden sein.

Pestur entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer Legende unter den Seeleuten und Fischern, und heute gilt er als ihr Schutzpatron, denn eine Prophezeiung sagt, dass Pestur noch immer im Meer herumsegelt und jedem wackeren Seemann zur Hilfe kommen wird, sollte er sich einmal auf der See verirren.


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